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Studie zum Thema:
Virtual Reality Aided Design - VRAD
Konzeption einer intuitiven Benutzerschnittstelle zum VRAD-Entwurfssystem



Vorbemerkungen

Gerade in jüngster Zeit erfährt eine neue technische Disziplin enorme Aufmerksamkeit durch die Medien und damit durch die Öffentlichkeit : Virtual Reality. Befürworter schreiben dieser Technologie revolutionierende Kräfte zu, vergleichbar höchstens mit der Erfindung des Buchdrucks, Kritiker hingegen spekulieren über Einfluß und Folgen auf das tägliche Leben, über sich wandelnde Macht- und Werteverhältnisse und warnen vor dem alles beherrschenden Computer. Meist wird diese Bewertung jedoch ohne eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema geführt, haben doch selbst die Forscher auf diesem Gebiet enorme Schwierigkeiten, ihren Forschungsgegenstand überhaupt zu benennen. Begriffe wie wirklichkeitsgetreue Simulation, künstliche Realität oder virtuelle Umwelt werden neben dem literarisch geprägtem Wort "Cyberspace" verwendet. Bei dieser Begriffsvielfalt wundert es nicht, daß es auch keine allgemeingültige Definition für Virtual Reality gibt. An praktischen Anwendungsmöglichkeiten herrscht kein Mangel. Immer neue Betätigungsfelder erschliessen sich parallel zu den naheliegenden Einsatzgebieten, wie Architektur oder Medizin. Das Problem der leistungsstarken Hardware, die heute noch sehr teuer ist, wird bei dem Entwicklungstempo der Rechenleistung mit der Zeit verschwinden. Mit den Möglichkeiten, die sich durch diese neue Mensch-Maschine-Schnittstelle erschliessen, stößt der Computer in Bereiche vor, in denen der Einsatz von Rechenmaschinen bisher undenkbar war. In der Architektur beschränkte sich bisher der Einsatz des Computers auf Präsentation, Ausführungsplanung, Mengenermittlung, Ausschreibung und Vergabe. Durch VR wird es möglich, Objekte räumlich darzustellen und wahrzunehmen, sowie auf einfachste Weise mit ihnen zu interagieren. Damit kann der Computer selbst schon in der Entwurfsphase einbezogen werden, gleichsam als "dreidimensionaler Skizzenblock". Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Eignung der VR-Technik im gestaltorientierten Entwurf zu untersuchen, Kriterien und Möglichkeiten zu umreißen, und an ausgewählten Beispielen ein solches VR-Entwurfssystem zu beschreiben.

Virtual Reality

Begriffsbestimmung

Wie schon eingangs erwähnt, existiert für den Begriff Virtual Reality (VR) keine allgemeingültige Definition. VR verfolgt die Idee, einen kompromißlosen, menschengerechten Dialog zwischen Mensch und Computer herzustellen. Das Handeln von Mensch und Maschine berührt sich an den sogenannten Schnittstellen, und VR ist nur die vorläufig letzte und modernste einer langen Reihen von Schnittstellen. Ist VR also nur die Weiterentwicklung von Maus und Bildschirm? Nein. Die VR bedeutet einen mächtigen Sprung vorwärts in der Interaktion mit Rechnern und dem Sichtbarmachen von Informationen. Anstatt mit Tastatur oder Maus vor der Mattscheibe zu hantieren, zieht man sich eine kleine Monitorbrille über, setzt Kopfhörer auf und schlüpft in bewegliche Handschuhe. Der Computer steuert die Wahrnehmungen, und der Mensch steuert im Gegenzug den Computer. Man taucht scheinbar in die Daten selbst ein. Doch für eine Defintion ist das noch zu ungenau. "Ich glaube, der Dialog ist das falsche Modell für den Umgang mit dem Rechnerein Modell, das unerfahrene Anwender in die Irre führt und selbst erfahrene Softwareschreiber dazu verleitet, schwer zu nutzende Systeme zu entwickeln. Wir haben Computer von Anfang an Attribute menschlicher Intelligenz zugeschrieben und Merkmale unterstellt, über die sie gar nicht verfügen. Wir haben uns große Mühe gegeben, sie so zu programmieren, daß sie sich entsprechend unseren Vorstellungen verhalten. Wenn sie mit einem Computer interagieren, führen sie keinen Dialog mit einem anderen Menschen, sondern sie erforschen eine andere Welt. Ich halte die Virtuelle Realität für die einzige Technologie, von der ernsthaft zu erwarten ist, daß sie die nächste Generation der Mensch-Maschine-Interaktion bestimmen kann." (John Walker, Gründer von AUTODESK,1988) Neben dem Ansprechen der menschlichen Sinne geht es also auch um die Interaktion mit dem Computer auf eine möglichst natürliche Art und Weise. Die Kommunikation mit der realen (natürlichen) Umwelt dient dabei als Vorbild, folglich muß VR auch die wichtigsten Merkmale dieser Kommunikation aufweisen: Die natürliche Umwelt wird dreidimensional wahrgenommen, sowohl optisch als auch akustisch. Das VR-System muß also mindestens einen dieser Kanäle dreidimensional ausbilden. Bei der Interaktion des Menschen mit der realen Umwelt treten keine Verzögerungen in der Wahrnehmung auf.Wird z.B. ein Gegenstand ergriffen und bewegt, so erfolgt die visuelle Rückmeldung ohne Zeitversatz. Ein Computersystem mit "natürlichem" Dialog muß also ebenfalls verzögerungsfrei, d.h. echtzeitfähig sein. Die reale Welt kann man nicht nur erkunden, sondern auch verändern, wobei die Objekte sich nach wiedererkennbaren Gesetzmäßigkeiten verhalten. Diese interaktive Ebene muß neben der passiven und aktiven Ebene vorhanden sein, um von VR sprechen zu können. Die Wirkung der in den Punkten 1-3 geforderten Merkmale läßt sich am Immersionsgrad des Nutzers ablesen. Ist er psychologisch vollständig in das System "eingetaucht" und damit ein Teil des Systems, bemerkt er also die reale Außenwelt nicht mehr, so ist damit die Voraussetzung geschaffen, daß er in natürlicher Form mit den vom Computer bereitgestellten Informationen interagieren kann.

VR-Technik

Im Nachhinein muß man einigen Science-fiction-Autoren der Vergangenheit fast prophetische Gaben zugestehen. Dabei kann man zu Recht behaupten, daß sie den Lauf der Geschichte verändert haben, indem sie ihre Ideen und Visionen den Forschern der nächsten Generation mit auf den Weg gaben. Ein solcher "Jules Verne" der Virtuellen Realität ist zweifellos William Gibson, der mit seinem 1984 erschienenen Roman "Neuromancer" die Initialzündung für viele VR-Pioniere lieferte.
Die Geschichte dieser noch sehr jungen Technologie wird seitdem hauptsächlich durch die Entwicklung geeigneter Ein-und Ausgabegeräte geprägt. Virtuelle Welten lassen sich auf dreierlei Weise sinnlich erfahren: durch das Sehen, das Hören und das Fühlen. Hier sollen die technischen Geräte erläutert werden, die speziell für das architektonische Entwerfen in VR relevant sind, eine Übersicht zu allen anderen verfügbaren Ausrüstungen findet sich in der einschlägigen Literatur.



Visuelle Ausgabegeräte

Zur räumlich-visuellen Ausgabe ist ein stereoskopischer Eindruck nötig. Dieser muß einen möglichst großen Bereich des Sichtfeldes des Nutzers einnehmen um einen immersiven Eindruck zu erzeugen. Zum Einsatz kommen hier zwei wesentliche Techniken: der Datenhelm und die Stereo-Großprojektion. Ein Datenhelm (Head-Mounted-Display ) wird auf dem Kopf getragen und besitzt für jedes Auge einen Miniaturmonitor. Außerdem befindet sich am Datenhelm ein Tracker zur Bestimmung der Kopfposition und -orientierung. Aus diesen Daten bestimmt das VR-System die Blickrichtung des Nutzers im realen Raum und projiziert ihm die entsprechenden stereoskopischen Computerdarstellungen auf die Monitore des Datenhelms.
Bei der Stereo-Großprojektion wird über einen Video-Beamer ein Stereobild auf eine Leinwand projiziert. Die Nutzer tragen zur Gewinnung des stereoskopischen Eindrucks Polarisations- oder Shutter-Brillen. Allerdings ist die visuelle Seite der Virtuellen Realität zur Zeit noch unbefriedigend gelöst. Zum einen ist die Auflösung heutiger Miniturmonitore auf LCDBasis mit ca. 720x480 Bildpunkten noch zu grobkörnig, wenn man bedenkt, daß das menschliche Auge ein Auflösungsvermögen von ca. 8000x6000 Punkten besitzt. Eines Tages soll ein hochauflösender Laser-Mikroscanner die simulierten Wirklichkeiten mit eben dieser Auflösung direkt auf die menschliche Netzhaut projizieren können. Andere Forscher arbeiten an elektronischen Kontaktlinsen, in denen Millionen winziger licht-emittierender Elemente die Bilder direkt vor der Pupille erzeugen. Solche hochauflösenden Systeme setzen natürlich eine ungeheure Rechenleistung voraus, die aber bei dem Entwicklungstempo der Hardware nicht unvorstellbar ist. Zur Zeit wird die Erhöhung der LCD-Auflösung herkömmlicher HMD's noch stark von der Leistungsfähigkeit der RenderingMaschine bestimmt. Laut Alvy Ray Smith von PIXAR hat die Wirklichkeit rund 80 Millionen Polygone pro Sekunde. SuperGrafik-Workstations schaffen jedoch heute gerade mal eine Million Polygone pro Sekunde in Echtzeit zu berechnen. Für die Bewegtbild-Darstellung müßten die Szenen außerdem pro Auge wenigstens zwölfmal neu berechnet werden.



Akustische Ausgabegeräte

Zur Darstellung eines akustischen Raumes ist es üblich daß der Nutzer einen Kopfhörer mit integriertem Tracker trägt. Spezialhardware ermittelt aus den Trackerdaten einen entsprechenden akustischen Raumeindruck. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Raumhall nachgebildet wird und daß bei Veränderung der Kopfposition statische Geräuschquellen ihre virtuelle Position beibehalten.

Taktile Ausgabegeräte

Um virtueIles Berühren glaubhaft zu simulieren, haben VRForscher Geräte zur Übertragung taktiler und Kraftrückkopplung entwickelt. Sie sehen zwar höchst unterschiedlich aus, leisten im Grunde aber alle dasselbe. Sie drücken gegen die Arme und Hände, um Rezeptorsignale auszulösen. Es zeigt sich aber, daß Technologien, die mehr als nur die allereinfachsten Tastempfindungen simulieren, äußerst schwierig zu entwickeln sind. Für die meisten VR-Anwendungen ist diese Palette der Tastempfingungen sicher nicht notwendig, aber schon so einfache Handlungen wie das Halten eines Bauklötzchens oder das Entlangstreichen an einer Tischkante stellen die VRTechniker vor erhebliche Probleme. Aber die Forscher machen erstaunliche Fortschritte, obwohl virtuelles Tasten sogar noch jünger als das virtuelle Hören ist. Mitte der 80er Jahre nähten Forscher der US-Luftwaffe piezoelektrische Kristalle, die bei niedrigen Stromstärken zu vibrieren begannen, in die Fingerspitzen eines Handschuhs. Die taktile Empfindung war zwar recht grob, genügte aber, um das Knopfdrücken in einem virtuellen Cockpit für den Piloten viel realistischer zu machen. Taktile Empfindungen werden meistens, durch die Signale der Mechanorezeptoren hervorgerufen. Kraftrückkopplung hingegen kann man sich als Widerstand oder Kraft vorstellen, die auf die Hand wirkt (propriozeptive Signale). Diese Empfindungen werden in den Muskeln, Sehnen und Gelenken registriert. Es bräuchte schon seltsame Umstände, um eine Kraftrückkopplung ohne gleichzeitige taktile Signale wirken zu lassen.

Eingabegeräte

Für eine dreidimensionale Interaktion müssen 3D-Positionen und -orientierungen aus dem realen Raum gesteuert werden. Zur Messung der absoluten Raumposition/-orientierung dienen sogenannte Tracker. Wird ein solcher Tracker mit Knöpfen zur Eingabe versehen, so spricht man meist von einem Flying Joystick oder einer Flying Mouse. Position und Orientierung können aber auch durch relative Koordinaten gesteuert werden, dazu dienen Spaceball bzw. Spacemouse. Darunter versteht man eine 2D-Mouse, erweitert um die Höhenkoordinate, sowie die drei relativen Rotationswinkel. Allgemein durchgesetzt hat sich jedoch der Datenhandschuh (Dataglove). Mittels Glasfasern werden die Krümmungsbewegungen der einzelnen Finger registriert und über einen am Handrücken angebrachten Tracker erkennt der Computer die Position der Hand im Raum. Diese Daten überträgt der Rechner auf eine sich simultan bewegende künstliche Hand im virtuellen Geschehen. Erst der Dataglove ermöglicht es, die virtuelle Umgebung zu erforschen und mit ihr zu interagieren.
Abschliessend sei noch die Sprache als Eingabemedium erwähnt, mit der man über Spracherkennungssysteme mit dem Computer oder anderen virtuellen Personen kommunizieren kann.



Der Computer im architektonischen Entwurf

Der Entwurfprozeß

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem computerunterstützten architektonischen Entwerfen (CAAD) mit den Mitteln der Virtuellen Realität, und hier insbesondere unter vornehmlicher Betrachtung der frühen Phasen des Entwerfens. Diese frühen Phasen werden in der Literatur sehr unterschiedlich eingeordnet. In dieser Arbeit sollen darunter jene Teilabschnitte des Entwerfens verstanden werden, die durch folgende Tätigkeiten beschrieben werden können: Klären der Problemstellung, Einordnung der Randbedingungen, Aufstellen von Hypothesen, Einordnung und Bewertung vorhandener Lösungen, Entwicklung von Entwurfsideen, Variation von Lösungen, Vergegenständlichung geistiger Modelle.
Zunächst sucht der Entwerfende Eigenschaften, Zusammenhänge, Merkmale (anhand von Beispielen) für das zu entwerfende Objekt zu definieren und vielleicht in Zielen zusammenzufassen. Anhand dieser Kriterien wird nun eine Lösung gesucht, meist derart, daß der Bleistift die Gedanken dokumentiert, versucht das Konglomerat aus Zusammenhängen, Merkmalen, Kriterien zu ordnen und zu entwickeln. Dabei kommt es ständig zu einer Rückkopplung: Das Gezeichnete wird ständig interpretiert und mit den Zielvorgaben verglichen. Dabei werden sowohl Lösung als auch Ziel dynamisch korrigiert, bis eine gewisse Übereinstimmung erreicht ist.

Entwurfszyklus (Mikrostruktur)


nach Donath

Das Entwurfsmedium

Das Ergebnis entsteht gewissermaßen im Dialog mit dem Entwurfsmedium. Das Medium dokumentiert dabei die Zwischenlösung für die Beurteilung, läßt aber zugleich Freiräume zur Interpretation.
CAAD in der herkömmlichen Form kann das nicht so gut leisten, wie Skizzenpapier und 6B-Stift. Der Computer ist zu genau, zu langsam, zu unhandlich und die Darstellung des Ergebnisses "passiert" auf der ebenen Mattscheibe. Aus diesen Gründen war bislang der Computereinsatz im Entwurfsprozess auf Wissensbereitstellung und Variantenuntersuchung beschränkt. VR als Entwurfsmedium hat demgegenüber zwei entscheidende Vorteile: Die Dokumentation des Ergebnisses erfolgt als virtuelles 3d-Modell, welches auch als solches wahrgenommen wird. Die Bewertungbarkeit des Objekts wird verbessert, indem die Information räumlich angeboten wird. Die Veränderungen am Modell können unkomplizierter, mit natürlichen Handbewegungen erfolgen. Man kommt mit wenigen, intuitiven "Befehlen" aus. Es ist durchaus möglich, daß alle Teilschritte der Mikrostruktur innerhalb von VR ausgeführtwerden können. Das Setzen der Ziele ist ein mentaler Prozess und damit unabhängig vom Medium Virtual Reality.Für den Schritt des Sammelns von Informatione ist es nötig , diese in einer virtuellen Umgebung verfügbar zu machen. Hierzu müssen die benötigten Informationen in digitaler Form vorliegen und erreichbar sein (Netz) und es müssen geeignete Verfahren gesucht werden, um mit diesen Informationen zu arbeiten. Teilweise wird es nötig sein, traditionelle Formen an Information darstellen zu müssen (Zeichnung, Textdokument etc.). Zu diesem Zweck sollten geeignete Metaphern entwickelt werden, die sich nicht störend auf die Immersivität auswirken.Für die Qualität des kreativen Ausdrucks des Entwerfenden und der Möglichkeit der Bewertung des Resultats (Zwischenschritts) ist das rechnerinterne Modell und das Programmsystem maßgeblich verantwortlich. Bei unzureichender Güte des VR-Systems kann es zu einer Einschränkung der Mittel gegenüber herkömmlichen Medien kommen. Auf der anderen Seite ist es möglich, daß sowohl die Bewertung verbessert als auch die Kreativität gefördert wird. Hier liegt die große Verantwortung der Entwickler (Cyberspace-Designer).Die Dokumentation des Ergebnisses existiert im erzeugten Modell selbst. Es ist in der Regel nicht notwendig, diese Darstellung auf ein anderes Medium zu übertragen.

VR und Kommunikation

Gestik und intuitive Kommunikation

"Heute dreht sich in der virtuellen Realität aIles um die Technik. Das ist zwar wichtig, genügt aber nicht. Technologie schafft nur die Möglichkeiten für den Bau neuer Welten. Diese Welten dann tatsächlich zu verwirklichen ist eine eigenständige Aufgabe - und keine leichte. Ich meine, die Kunst und handwerkliche Geschicklichkeit des Raum-Machens ist für die VR-Technologie ebenso wichtig, wie das Filme-Machen für die Filmindustrie." (Randall WaIser von der Firma Autodesk)
Soll heißen: Ohne Film wäre Hollywood nur eine technisch hochinteressante Experimentierstube mit großen, aber ungenutzten Möglichkeiten. In vieIer Hinsicht trifft diese Beschreibung die virtuelle Realität unserer Tage. Erst seit kurzem kann man sich sinnvoll Gedanken über die Qualität virtueller Konstruktionen machen. Denn warum sollte ein Wissenschaftler fragen: "Wie kann ich eine virtuelle Hand am günstigsten symbolisieren?" wenn ihm die bildtechnischen Mittel fehlen, diese Hand überhaupt sichtbar darzustellen? Aber inzwischen tauchen derartige Fragen massenhaft auf und verlangen Antworten. Ein Beispiel: In jeder grafischen Benutzeroberfläche - sei es ein Macintosh, Microsoft Windows oder ein VR-System - werden HandIungen und Computerbefehle gewöhnlich als Bildsymbole dargestellt. Wenn Sie auf dem Macintosh ein Dokument löschen wollen, dann ziehen Sie einen symbolischen Aktenordner mit der Maus auf einen symbolischen Papierkorb; den Rest erledigt der Computer hinter der Szene. Die Programmierer denken sorgfältig darüber nach, welche Bilder und SymboIe sie verwenden. Schließlich ist es ihre Aufgabe, eine Schnittstelle zu schaffen, die dem Benutzer einen einfachen Umgang mit dem Rechner oder dem Programm ermöglicht. Je intuitiver die Schnittstelle ist, desto leichter kann man sie lernen und benutzen. So ist es leicht zu verstehen, daß ein symbolischer Aktenordner ein Dokument (oder vielleicht weitere Aktenordner) enthält. Ardererseits muß man beim Macintosh eine symbolische Diskette in den symbolischen Papierkorb werfen, wenn man sie auswerfen möchte. Dieses "Wegwerfen" ist höchst unintuitiv, weil die meisten befürchten, die Diskette damit zu löschen.
Mit dem Aufkommen der dreidimensionalen Schnittstelle für VRSysteme roIlt eine Welle neuer Fragen auf die Programmierer zu. Wie soll man eine Hand im Cyberspace darstellen? Muß eine virtuelle Hand beim Schweben und beim Greifen virtueller Objekte ihre Form ändern? Einige VR-Systeme stellen die Hand des Benutzers als armlose Hand dar, die frei im Cyberspace schwebt. Man kann sie ausstrecken und ein Objekt greifen, indem man in den Gegenstand hineinfaßt und die Faust ballt. Öffnet man die Faust wieder, versteht der Computer, daß man den Gegenstand losgelassen hat. Während der Bewegung durch den Raum verwandelt sich die virtuelle Hand in einen Pfeil oder ein Flugzeug. In vielen VR-Systemen kann der Benutzer aber mehr als nur herumschweben und die Gegenstände bewegen. Wenn er mit Programmen zu Molekülmodellen arbeitet, will er die Moleküle vielIeicht auf verschiedene Art betracnten. In den ersten VR-Versionen mußte man für jede Form der Darstellung eine bestimmte Handbewegung ausführen, zum Beispiel den Zeigeund Mittelfnger strecken, um ein LinienmodelI zu sehen, oder den kleinen Finger strecken, um das Molekül als Kugel-und-Stöckchen-Modell darzustellen.
Aber die Wissenschaftler fanden schnelI heraus, daß die Benutzer sich die einzelnen Gesten nur schwer merken konnten sie waren einfach zu abstrakt. Daher arbeitet man im Augenblick an virtuellen Menüs und Spracherkennungssystemen. Beim Menü-System gibt es nur noch zwei Befehle als Handbewegung: Schweben und Menü aufrufen. Wenn man die "MenüBewegung" macht, erscheint ein virtuelles Menü vor den Augen des Benutzers. Er kann daraus nun einen beliebigen Befehl wählen, indem er einfach darauf zeigt und die MenüBewegung wiederholt. Im obigen Beispiel kann er also das Molekülmodell ändern, indem er das Menü aufruft und auf die gewünschte Darstellungsart zeigt. Auf diese Weise läßt sich schon viel leichter und angenehmer arbeiten, vorausgesetzt, man erkennt das Menü auch (auf einigen LCDs ist das Menü sehr schwer zu lesen).Aber auch Spracherkennungssysteme lassen sich in VRAnwendungen nutzen. Mehrere Software-Entwickler haben schon Systeme vorgestellt, die Spracherkennung in CAD-Programme integrieren.

Kommunikation mit dem VRAD-System

Ein Entwurfssystem mit dem Medium VR muß sehr einfach und ohne viel Training zu bedienen sein (intuitiv). Der Anwender darf sich nicht erst dutzende von Befehlen einprägen müssen, um dem System seine Vorstellungen begreiflich machen zu können. Außerdem sollte die Zahl der Befehle (Verabredungen mit dem Rechner) möglichst gering sein (vergleichbar mit der RISCArchitektur von Mikroprozessoren). Als solche allgemeinverständliche Kommunikationsform kommen verschieden Arten in Betracht:
1. Das Gesprochene Wort
Über einen allgemeinen Grundsprachwortschatz verfügt jeder, die Erkennung der Sprache durch den Computer ist wenn auch mit einigem Aufwand möglich. Das Problem ist, daß Spracherkennungssysteme erst auf den jeweiligen Anwender "trainiert" werden müssen, und dann auch nur bestimmte Worte erkennen, vom Sinn des Gesprochenen mal ganz zu schweigen.
2.Die Gestik
Auf den ersten Blick ist Kommunikation mit dem Rechner via Gestensprache die Lösung. Der Datenhandschuh ermöglicht die problemlose Erkennung, Training ist nicht nötig. Allgemeinversändliche Gesten gibt es genügend im täglichen Alltag, aber diese sind entweder inhaltlich zu allgemein oder mehrdeutig. Zudem sind die wenigsten in der Kommunikation mit dem Computer einsetzbar. Einen umfangreichen Gestenwortschatz bietet die Gehörlosensprache, jedoch versteht ein Ungeübter diese kaum, es müßten erst wieder "Verabredungen mit dem Computer" getroffen werden.
Keine der beiden betrachteten Formen kann ausschließlich die Kommunikation mit dem VR-System bestimmen, sie können jedoch kombiniert eingesetzt wirkungsvolle Unterstützung leisten. In einem gestaltorientierten Entwurfssystem geht es hauptsächlich um die Interaktion mit 3-dimensionalen Objekten. Was liegt näher, den natürlichen Umgang mit Gegenständen in der realen Welt als Vorbild für das Handling im VR-System zu sehen. Jeder hat als kleines Kind zunächst die Umgebung mit den Händen erforscht, begann "die Welt zu begreifen"(im wahrsten Sinne des Wortes). "Wie fasse ich einen Würfel an?", ist wohl die einfachste Form einer solchen Konvention, die jeder automatisch (intuitiv) in sich trägt.

Konzeption VRAD

Begriffsbestimmung

Unter Virtual Reality Aided Design (VRAD) soll im Folgenden das computerunterstützte Entwerfen mit Mitteln der virtuellen Realität verstanden werden. Hierbei wird sich besonders auf VRAD in den frühen Phasen des architektonischen Entwurfs konzentriert. Diese sind weniger durch die Detailplanung gekennzeichnet, als vielmehr durch die gesamträumliche Konzeption von Gebäuden. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Konzeption ist die Gestaltfindung. Daraus resultiert ein sich ständig wiederholender Zyklus der Entwurfschritte:
1 . Entwickeln einer Entwurfsidee,
2. Dokumentieren der Idee über ein Medium,
3 . Rückkopplung mit Hilfe des Mediums
und nachfolgend die
4. Bewerten des Resultats.
VRAD wird hier zu einer wesentlichen Hilfestellung. Die Schritte 1 bis 3 sind durch die Präsenz des Nutzers im System ein geschlossener Vorgang, wobei das Dokumentieren zum Sekundärprodukt wird. Das Medium ist in diesem Falle das VRADSystem selbst.
Die Bewertung des Entwurfsresultats findet mindestens durch visuelle Betrachtung statt und kann auch vom Laien interpretiert werden. Diese Darstellung muß nicht zwingendermaßen realitätsnah sein, sie kann alle Formen der Visualisierung annehmen.Die analoge, die ikonische und die symbolische Darstellung seien hier genannt. Welche Darstellungsform am geeignetsten ist, hängt davon ab, wie gut sie mit dem gedanklichen Modell des Designers übereinstimmt und welche Informationen im rechnerinternen Modell vorhanden sind. Die genannten Formen sollten aufjedes Objekt bzw. Objektteil einzeln anwendbar sein und sich dynamisch ändern können, z.B. für ein "logisches Zoomen". Einen Spezialfall der ikonischen Darstellung ist die sogenannte LevelOfDetailFunktion. In Abhängigkeit von mehreren Parametern (z.B. Sichtabstand und -winkel) werden Objekte unterschiedlich detailliert dargestellt. Es wird davon ausgegangen, daß in jedem Falle eine räumlich-bildhafte Darstellung, gegenüber einer zweidimensional bildlichen oder rein begrifflichen Darstellung, dem Entwerfenden am besten entspricht. Leider ist der Stand der Forschung auf diesem Gebiet nicht ausreichend, deshalb trägt diese Annahme hypothetischen Charakter und soll Anlaß zur Diskussion sein. Selbst wenn sie sich nur für einen geringen Teil der menschlichen Wahrnehmung oder Modellbildung als tragfähig erweist, so soll sie dennoch als Prämisse für weitere Überlegungen und Entwicklungen dienen. Weiterhin gilt die Hypothese, daß dreidimensionale Interaktion einen besseren (natürlicheren) Kanal für den Entwerfenden zur Verfügung stellt, als ein- oder zweidimensionale Ausdrucksformen. Eine Bewertung dieser Hypothese ist nur möglich, wenn neben theoretischer Grundlagenforschung eine experimentelle Evaluierung stattfindet. Auch dazu ist es nötig, ein VRADSystem zu entwickeln.
Im Folgenden soll versucht werden, ein mögliches VRAD-System zu skizzieren, welches folgenden Anforderungen gerecht wird: Die Dokumentation der Entwurfsschritte erfolgt durch eine räumliche Darstellung von Objekten und läßt so die direkte Bewertung der räumlichen Situation durch den Entwerfenden zu. Es werden nur die zur Beurteilung des Raumes notwendigen Informationen dargestellt. Die Detaillierung bleibt auf ein Minimum beschränkt.

Raumwahrnehmung

Ohne eine korrekte Wahrnehmung der Raumgröße ist ein Entwurf und die damit verbundene Rückkopplung und Bewertung nicht möglich. Eine Untersuchung von Henry und Furness ergab, daß virtuelle Raumgrößen in ihren Abmaßen und Volumina unterschätzt werden. Hauptsächliche Ursache dafür war der zu geringe Sichtbereich (field of view) beim Betrachten der virtuellen Welt. Welche Größen beeinflussen außerdem die Raumwahrnehmung ? Einen Ansatz dazu liefert John Murray. Er nennt unter anderem: Interposition Gestalt relative Objektgröße, Größe des eigenen Körpers relative Helligkeit Wirkung von Licht und Schatten Objektbewegung Sichtebene Astigmatismus Farbabweichung Hier sind experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der einzelnen Faktoren durchzuführen und daraus Anforderungen an das VRAD-System abzuleiten.

VRAD-Ein-Ausgabegeräte

Die Ein-Ausgabegeräte für ein solches System müssen hauptsächlich folgende Kriterien erfüllen: Raumeindruck möglichst realitätsnah vermitteln Eingabeoperationen müssen natürlich und möglichst inuitiv erfolgen Von den erwähnten Ausgabegeräten kommt für VRAD nur das HeadMounted-Display mit entsprechend großem Gesichtsfeld in Frage, um einen unverfälschten Raumeindruck zu gewinnen. (Auf akustische Raumeindücke kann im Entwurfsprozess verzichtet werden.) Taktile Rückkopplungen wären zum Greifen von Objekten sinnvoll, aber nicht zwingend.
Als Eingabegerät bietet sich der Datenhandschuh an, allerdings in doppelter Ausführung, für jede Hand einer.

VRAD-Handling

Um mit dem VR-System kreativ arbeiten zu können, ist es notwendig, das Handling so einfach wie möglich zu gestalten. Angelehnt an das Agieren in der realen Welt, sollen jedoch die Möglichkeiten, die durch die Virtualisierung der Objekte eröffnet werden, voll ausgeschöpft werden.

VRAD-Systembeschreibung

Modulares Konzept

Das zu entwickelnde VRAD-System sollte möglichst modular aufgebaut werden. Zu den Grundfunktionen der Objektmodellierung kommen schrittweise z.B. Darstellungs- und Beleuchtungsfunktionen oder ein Materialmanager hinzu.

Modellstrukturierung

Das Modell des virtuellen Objekts muß logisch aufgebaut sein, um die Aktionen hinsichtlich des Ergebnisses voraussehen zu können. Punkt (Ecke), Linie (Kante), Fläche und Körper sind die identifizierbaren und damit veränderbaren Elemente mit folgender hierarchischer Struktur: Linien existieren nur zwischen 2 Punkten Flächen werden durch geschlossene Linienzüge begrenzt Körper werden durch Flächen begrenzt

Positionsbestimmung

Um in der 3-dimensionalen Welt agieren zu können, muß man jeden Punkt im Raum ansprechen können (Vergleichbar mit dem Fadenkreuz herkömmlicher CAAD-Systeme). Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten:
1. Man nimmt die Trackerdaten der Datenhandschuhe direkt für die Koordinatenbestimmung.
Das hat den Nachteil, daß man nur solche Punkte identifizieren kann, die sich im Wirkungsradius der Hände befinden. Manipulationen aus der Ferne sind nicht möglich, ein großer Bewegungsaufwand die Folge. Außerdem will man beim Editieren die Auswirkung auf den Raumeindruck bewerten, und das geht nicht, wenn man direkt vor der Wand steht.



2. Im Display des HMD wird ein Fadenkreuz eingeblendet. Es befindent sich stets in der Displaymitte und somit immer in Blickrichtung. Allerdings wird zur eindeutigen Identifikation eines Punktes im Raum noch der Abstand zum Betrachter gebraucht, da mit dem Fadenkreuz lediglich die Richtung des Punktes im Raum festgelegt ist. Diese Form ist für Punktselektionen an bestehenden Objekten geeignet, da es für jede Richtung nur genau einen sichtbaren Punkt (auf einer Fläche) gibt.



Um jedoch z.B. einen Eckpunkt eines Würfels zu verschieben, muß man den zu verschiebenden Eckpunkt identifizieren und die neue Position des Punktes zeigen. Das kann man mit folgender Methode erreichen:
3. Ein bestehender Punkt wird angewählt, indem man ihn über die Hand "anpeilt". Auf diesem "Peilstrahl" existieren nun 2 Abschnitte. Erstens der vom Auge zur Hand und zweitens der von der Hand zum Punkt im Raum. Indem man den Punkt "greift", wird das Verhältnis der beiden Abschnitte berechnet, und bleibt konstant, bis der Punkt "abgesetzt" wird. Dabei wird die neue Position des Punktes wie beim Anwählen über die Hand gepeilt, allerdings wird der Abstand zum Auge vom Computer berechnet. Vorteil dieser Variante ist, daß die Positionierung nach Methode 1. vollständig darin enthalten ist (der Abschnitt von der Hand bis zum Punkt ist sehr klein). Der Aktionsradius der Hände wird automatisch dem bestehenden Modell angepasst. (Denkbar wäre auch die expliziete Einstellung des Verhältnisses.)



Objektselektion

Damit der Computer "weiß", welche Art von Elementen man bearbeiten will, gibt es für jede eine eigene "Greifbewegung":

1.Punkte



2.Kanten (Linien)



3. Flächen



4. Körper



Mehrfachselektion

Mehrere Elemente werden dadurch ausgewählt, daß die linke Hand eine Sammel-Geste darstellt, und die andere die Elemente selektiert.



Ausgewählte Elemente verfärben sich, als Rückmeldung an den Benutzer.



Ausgewählte Elemente verfärben sich, als Rückmeldung an den Benutzer.



Konventionen

Neben der o.g. logischen Hierarchie gibt es noch einige andere Konventionen, die z.T. daraus resultieren:
1.Über Zeigen neu generierte Punkte dürfen nur auf bestehenden Kanten oder Flächen liegen. Wenn man bedenkt, daß das Entwurfsziel in einer baubaren Architektur besteht, wo es also keine schwebenden Objekte gibt, erscheint diese Einschränkung nicht sehr gravierend.
2.Es gibt nur ebene Flächen. Flächen sind also das Ergebnis der geradlinigen Bewegung einer Linie(Kante).
3. Körper entstehen aus der Bewegung von Flächen.
4.Es gibt 2 Modi beim Umgang mit Elementen. Im Editiermodus bleibt die Anzahl der Elemente konstant, im Generiermodus werden Elemente erzeugt oder gelöscht. Eine Möglichkeit, zwischen diesen beiden Modi wird umzuschalten, wäre, indem man entweder mit einer Hand oder mit beiden Händen zugreift. Für Kanten ergibt sich eine Bewegung wie beim Ausziehen eines Gummibandes.



Das Aufziehen von Flächen gleicht dem Entrollen einer Schriftrolle.



Problematisch wird die Erzeugung von Körpern aus Flächen, da man immer nur eine Seite der Fläche sieht und damit greifen kann. Besser geschieht die Umschaltung zwischen Editieren und Generieren nach folgender Methode:
Generiermodus: Einschaltbar über Geste "Neu" mit der linken Hand,das heißt: aus jedem bestehenden Punkt (Ecke) läßt sich eine Linie(Kante) herausziehen aus jeder bestehenden Kante läßt sich eine Fläche herausziehen aus jeder Fläche läßt sich ein Körper generieren Umgekehrt wird ein Element gelöscht, indem man es mit beiden Händen erfasst und die Hände zusammenbringt (vgl. Zerknüllen von Papier).
Editiermodus: immer aktiv, wenn nicht mit der linken Hand "Neu"-Geste gezeigt wird. Damit lassen sich Eckpunkte, Kanten, Flächen, Körper verschieben, drehen ...
Wird im Generiermodus eine Fläche vom Betrachter weg bewegt, so entsteht ein "negativer" Körper, der bei Durchdringung mit bestehenden Objekten von diesen abgezogen wird (Boolsche Subtraktion). Damit lassen sich leicht Öffnungen in vorhandene Wände "drücken".

Darstellungsmodi

Um den entstandenen Raum bewerten zu können, werden im Normalmodus alle Flächen undurchlässig gefüllt dargestellt .(Die Darstellung eventueller Strukturen auf den Flächen muß ebenfalls abschaltbar sein.) Zur Orientierung im Modell kann aber auch ein halbdurchlässiger Modus eingestellt werden. Dabei werden die Flächen halbdurchsichtig, mit zunehmender Entfernung unsichtbarer, dargestellt.



Bewegung im Modell

Im Gegensatz zu den meisten VR-Anwendungen, wo der Anwender durch die virtuellen Welten fliegt, ist das natürliche Gehen im Entwurfsprozess angemessener, weil Das Gehen ist die normale Form der Architekturwahrnehmung . Es erleichtert die Größenabschätzung der generierten Räume dadurch, daß der Betrachter die Szene immer aus normaler Augenhöhe erblickt. Die Bewegung durch Schritte läßt eher eine quantitative Aussage zu als das Fliegen. Man benötigt keine zusätzlichen Kommandos (Gesten) zur Fortbewegung. Das Durchschreiten des Modells bedingt allerdings, daß der Computer eine Kollisionberechnung in vertikaler Richtung durchführt, und den Anwender immer auf die nächsttiefere Fläche stellt. So wäre auch das Treppensteigen oder das Herunterfallen oder -springen möglich. In horizontaler Richtung sollte die Kollisionsberechnung abschaltbar sein, d.h. durch die Wand gehen ist möglich. (Paralell zu dieser Hauptbewegugnsform könnten noch das "Fahren" und das "Fliegen" implementiert werden, wozu aber wieder spezielle Gesten nötig wären.)

Orientierung im Modell

Gerade wenn die Kollisionsüberprüfung ausgeschaltet ist, kann es schnell passieren, daß man nicht mehr weiß, an welcher Stelle man sich im Modell gerade befindet. Für solche Fälle gibt es eine Geste, die einen Übersichtsplan (Grundriß) mit dem jeweiligen Standort anzeigt. In diesem Plan kann man auch seine Position verändern, indem man den Stand-"Punkt" mit der Hand greift und verschiebt.



Standortwechsel

Eine andere Form des unmittelbaren Standortwechsels ist das Zeigen eines neuen Standpunktes direkt im virtuellen Raum. Dazu greift man den jetztigen Stand-"Punkt" (die reale Füße) und setzt ihn an der gewünschten neuen Position ab. (Möglich wäre auch, den neuen Standpunkt nur mit dem HMD anzuvisieren, und sich über eine Geste dorthinzubeamen.)

Farbigkeit,Strukturen

Farbe und Struktur der umgebenden Flächen haben großen Einfluß auf die Raumwahrnehmung, und sollten möglichst mit darstellbar sein. Die Zuweisung der Materialien könnte anhand von kleinen Probekugeln auf einem Tablett passieren, wobei man die entspr. Kugel gegen die Fläche wirft.

Modellierungshilfen

Dem Entwerfenden sollten Unterstützungen bei Interagieren mit dem Modell angeboten werden, wie sie heute auch bei CAAD angewandt werden. Denkbar wäre ein Punktfang, 3d-Raster (10x10 cm), Längenanzeige usw. Diese Einstellungen könnten auf einem "Tablettmenü" geändert oder abgeschaltet werden.

Modellzoom

Für manche Operationen ist es vorteilhaft, sie am verkleinerten Modell auszuführen, um die Übersicht zu behalten. So lassen sich auch Ansichten aus der "Vogelperspektive" gewinnen. Über eine Geste muß sich der Maßstab des Modells in Schritten verkleinern und wieder vergrößern lassen. (Im verkleinerten Modell sind unter Umständen andere Bewegungsarten als das Laufen günstiger.) Die Geste für den Modellzoom erzeugt die linke Hand mit Daumen und Zeigefinger.





Länge, Breite, Höhe

Über eine Geste kann einer über das HMD anvisierten Fläche eine "Dicke" zugewiesen werden. Die Fläche wird dazu lotrecht um den gezeigten Abstand verschoben. Wird die Geste mit der linken Hand begonnen, erfolgt die Verschiebung immer auf die gerade sichtbare Seite der Fläche.



Kopieren von Elementen

Elemente werden kopiert, indem man sie mit der einen Hand selektiert und bewegt, und mit der anderen Hand die Kopier-Geste darstellt.



Speichern von Zwischenlösungen

Gerade im Entwurfsprozeß kommt der Dokumentation von Zwischenschritten große Bedeutung zu, da ständig neue Varianten erzeugt und wieder verworfen werden, bzw. verschiedene Lösungen gegeneinander abzuwägen sind. Daher sollte das Entwurfssystem ständig alle Veränderungen am Modell reproduzierbar protokollieren (UNDO-Funktion). Ein einfaches (lineares) Zurücknehmen von Befehlen (vgl. Z-Befehl von AutoCAD) reicht jedoch nicht aus. Zur Darstellung der verschiedenen Bearbeitungszustände bietet sich die Baumstruktur an, in der man leicht jeden früheren Zustand herstellen kann.



Öffnungen

Die Modellstrukturierung und das Handling mit den Objekten erlaubt unterschiedliche Methoden, um Öffnungen (Fenster, Türen) zu erzeugen. Am einfachsten werden die geplanten Durchbrüche auf die Wand "gezeichnet", und diese Flächen nach außen gedrückt und gelöscht. Türen könnten in der Wand entstehen, indem man einfach durch die Wand durchgeht.



Weitere Funktionen

Die bisher beschriebenen Funtionen des VRAD-Systems werden im Prozeß des Findens und Bewertens der endgültigen Lösung sehr oft gebraucht und sollten daher einfach und schnell auszuführen sein.Deshalb wurde versucht, dieses direkte Arbeiten am Modell durch Gesten zu steuern. Daneben gibt es aber auch Funktionen, die seltener benutzt werden, und/oder zu denen eine sinnentsprechenden Geste schwer zu definieren ist. Beispiele hierfür sind Modellexport, Darstellungsmodi (siehe 5.6), Einstellung der Modellierungshilfen oder das Verlassen des Systems. All diese Aufgaben können zweckmäßig mit einer Menüleiste gelöst werden, die ständig oder auf Anforderung in das Sichtfeld eingeblendet wird.
Der Vorrat an statischen Gesten, die mit der Hand darstellbar und vom Computer unterscheidbar sind, ist schnell erschöpft. Diese Limitierung läßt sich durch Einbeziehung von dynamischen Gesten teilweise aufheben, wobei aber die schnelle und sichere Erkennung durch das System erschwert wird.

Umgang mit VRAD

Vorgehensweise

Zu Anfang einer Entwurfssession steht der Anwender auf einer Grundfläche. Auf diese könnten eventuell vorher gemachte 2dSkizzen aufgemappt sein, als erste Orientierung. Zunächst "zeichnet" man sich auf der Grundfläche mit Linien den Grundriss auf, steckt sozusagen den Raum ab. Dann zieht man aus den Linie Flächen in die Höhe. Die Wände können zu diesem Zeitpunkt noch einfache Flächen sein. Öffnungen werden auf die Wand gezeichnet , und die Flächen herausgenommen. Erst wenn man angrenzende Räume modelliert, sollten aus den Wandflächen mit der Geste "Dicke" Körper generiert werden....

Schlußbemerkungen

Ziel dieser Arbeit sollte es nicht sein, ein komplettes VRAD-System zu entwickeln, sondern vielmehr Ideen und Anhaltspunkte zu liefern, wie ein solches System aus Sicht des Nutzers (Architekten, Designer) aussehen könnte. Dabei sollten die genannten Aspekte lediglich als Einstieg für einen experimentellen Umgang mit dem System dienen, um damit Erfahrungen sammeln zu können. Erst im praktischen Umgang mit dem Medium VR wird man Möglichkeiten und Schranken aufzeigen können, die in einer theoretischen Betrachtung wie dieser nicht in allen Einzelheiten zu erfassen sind.

Literaturverzeichnis/Quellenangabe

Aukstakalnis, Steve/Blatner, David : "Cyberspace: Die Entdeckung künstlicher Welten " ,Köln 1994 Regenbrecht, Holger : "VR in Entwurf und Design" ,Diplomarbeit 1994, HAB Weimar, InfAR Willim, Bernd : "Designer im Bereich Animation und Cyberspace" ,3R-Verlag Berlin Lindo, Wilfried : "Cybermania- Der atemberaubende Reiseführer durch den digitalen Raum", Data Becker 1994 Donath, Dirk/Regenbrecht, Holger : "Virtual Reality Aided Design -VRAD", Paper, HAB Weimar, InfAR 1994 Rheingold, Howard : "Virtuelle Welten : Reisen im Cyberspace", Rowohlt 1992 DMV: "Virtual Reality - Eine Reise in die Welt der künstlichen Realität", 2 CD's, Daten- und Medienverlag 1994 D. Henry, T. Furness "Spatial Perception in Virtual Environments: Evaluating an Architectural Application" Proceedings of VRAIS '93, Seattle/Washington Sep 18-22. 1993 J. Murray "Some Perspectives on Visual Depth Perception" in: Computer Graphics Vol. 28, Number 2, May 1994